Ein Zahlendreher in einer Kalkulation, ein Vertipper in einer wichtigen Präsentation oder eine falsch weitergeleitete E-Mail: Solche Situationen aus dem Berufsalltag kennt jeder. Obwohl Fehler im Job jedem mal passieren, sind sie ein Tabuthema. Laut Umfrage der Talent- und Karriereberatung Rundstedt fürchten immer noch viele Mitarbeiter die Reaktionen von Vorgesetzten, wenn sie Fehler beichten. Jeder Vierte hat bereits die Erfahrung gemacht, dass nicht nach der Ursache, sondern nach einem Sündenbock gesucht wird. Knapp 20 Prozent haben den Eindruck, dass ihr Chef ihnen bestimmte Aufgaben nicht mehr zuteilt, nachdem sie in der Vergangenheit etwas falsch gemacht haben.
Kein Wunder, dass die Angst vor Fehlern groß ist. Doch in vielen Unternehmen ist ein Wandel zu beobachten, sagt die Wiener Managementtrainerin Elke M. Schüttelkopf (siehe auch Interview unten). „In Zeiten von flacheren Hierarchien und weniger Kontrolle arbeiten die Mitarbeiter heute viel selbstständiger als früher. Dabei passieren Fehler – wichtig ist nur, wie man damit umgeht.“ Noch sind Pannen häufig eng mit der Schuldfrage verknüpft. Es wird „Wer war das?“ statt „Was ist passiert?“ gefragt. Ein gravierender Denkfehler, denn so werden nur die Symptome, aber nicht die Ursachen bekämpft. Dabei können Fehler in Unternehmen dazu beitragen, neue Produkte zu entwickeln, Abläufe zu optimieren und Verbesserungsprozesse ins Rollen zu bringen. Zumindest theoretisch.
Stichwort: Fehlerkultur. Gründer gehen hier oft mit gutem Beispiel voran. In der Start-up-Szene gehört Scheitern zum guten Ton. Freimütig berichten Jungunternehmer auf sogenannten Fuck Up-Nights vor Publikum von ihren schlimmsten Pleiten – und tragen damit dazu bei, das Reden über Fehlschläge salonfähig zu machen. In den Köpfen mancher Manager ist bereits angekommen, dass es ohne Fehler keine Innovationen geben kann. So forderte Claudia Nemat, Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom, in einem Interview die Einführung von sogenannten Fuck Up-Days, Tagen also, an denen über alle Dinge im Unternehmen gesprochen wird, die schiefgelaufen sind. „Es geht dabei nicht um eine ‚Du-bist-schuld-Kultur‘, sondern darum, gemeinsam herauszufinden, was das Unternehmen aus den gemachten Fehlern lernen kann“, sagt Nemat.
„Wer Fehler verbietet, erhält Stillstand und Vertuschung.“
Elke M. Schüttelkopf, Wiener Unternehmensberaterin und Fehlerkultur-Spezialistin erklärt im Kurzinterview, warum Menschen mit Missgeschicken häufig falsch umgehen. |
Wir werden von klein auf dazu erzogen, dass nur Fehler negativ sind. In der Schule werden unsere Fehler rot angestrichen und bescheren uns schlechte Noten. Kein Wunder, dass sich viele Menschen auch als Erwachsene scheuen zuzugeben, wenn etwas daneben gegangen ist. Wir haben Angst vor negativen Konsequenzen.
Angst lähmt uns. Wer Angst hat, bleibt stehen und blockiert die eigene Weiterentwicklung. Wir müssen anfangen, Fehler – egal ob Schule, Studium oder Arbeitsleben – nicht als Endpunkt zu betrachten, sondern als Ereignisse in einem laufenden Lernprozess. Gerade Unternehmen sollten sich bewusst sein: Wer Fehler verbietet, erhält Stillstand und Fehlervertuschung.
Es reicht nicht, eine offene Fehlerkultur zu proklamieren. Es zählt, was Tag für Tag gelebt wird. Daher ist es wichtig, dass Führungskräfte lernen, sachlich zu bleiben, wenn ein Mitarbeiter eine Panne beichtet. Bloß keine Wutausbrüche oder Vorwürfe. Idealerweise bedankt sich der Chef für die Offenheit. Die gemeinsame Ursachenforschung und die Fehlerabstellung sind dann der zweite Schritt.
Am besten ist es, ruhig und sachlich die Fakten benennen – und sein Bedauern zum Ausdruck bringen. Und zwar sofort, um eventuelle Folgekosten von Fehlern möglichst gering zu halten. Und: Selbstvorwürfe vergessen – nach vorne blicken. Aus Schaden wird man klug.
Mehr Freiheit im Job – wie Mitarbeiter und Führungskräfte lernen, richtig damit umgehen.