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Datum
10.12.2025

Wer erbt eigentlich meine Online-Konten?

E-Mail-Accounts, Online-Banking, Profile in sozialen Netzwerken – wir hinterlassen oft auch ein stattliches digitales Erbe. Die Frage ist: Was soll damit geschehen? Und wie stellen Sie sicher, dass Ihre Angehörigen im Ernstfall Zugang zu wichtigen Accounts bekommen?

Digitaler Nachlass

Das Wichtigste in Kürze

  • Passwortmanager als Schlüssel: Mit einem Passwortmanager und Notfallzugang können Vertrauenspersonen im Ernstfall auf alle wichtigen Zugangsdaten zugreifen
  • Vollmacht "über den Tod hinaus": Eine handschriftliche Vollmacht ermöglicht es Ihrer Vertrauensperson, sofort zu handeln – ohne wochenlang auf den Erbschein warten zu müssen.
  • Plattform-Tools nutzen: Viele Plattformen, wie Google oder Apple, bieten eigene Nachlass-Funktionen, deren Einrichtung nur wenige Minuten dauert.
  • E-Mail-Zugang sichern: Ihr E-Mail-Postfach ist die Schaltzentrale – von dort lassen sich Passwörter für fast alle anderen Dienste zurücksetzen.
  • Banking nicht vergessen: Eine Bankvollmacht über den Tod hinaus verhindert, dass wichtige Zahlungen blockiert werden, während auf den Erbschein gewartet wird.

Die gute Nachricht: Rechtlich ist die Sache seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 2018 geklärt. Ihre digitalen Konten gehören genauso zur Erbmasse wie Ihr Tagebuch oder Ihre Briefe. Die weniger gute Nachricht: Ohne Vorbereitung stehen Ihre Liebsten trotzdem vor verschlossenen Türen, während Abo-Kosten weiterlaufen und wertvolle Erinnerungen verloren gehen.

Nur etwa ein Drittel der Deutschen hat bisher seinen digitalen Nachlass geregelt. Dabei braucht es gar nicht viel – ein paar gezielte Schritte reichen aus, um Ihren Angehörigen später eine Menge Stress zu ersparen.

Warum Sie jetzt handeln sollten

Stellen Sie sich vor, Ihre Partnerin oder Ihr Partner muss nach Ihrem Tod dringend auf wichtige E-Mails zugreifen – aber das Passwort kennt niemand. Oder Ihre Kinder wollen Ihre Fotosammlung sichern, kommen aber nicht an die Cloud. Vielleicht laufen auch noch drei Streaming-Abos, von denen keiner wusste.

Ohne konkrete Vorbereitungen kann der Zugang zu Ihren Konten Wochen oder Monate dauern. Bei manchen Diensten ist er sogar praktisch unmöglich – etwa wenn Kryptowährungen ohne Zugangscodes verloren gehen oder wenn verschlüsselte Geräte nicht mehr zu öffnen sind.

Das Gute: Sie können das mit überschaubarem Aufwand verhindern. Die wichtigsten Schritte zeigen wir Ihnen hier.

Schritt 1: Verschaffen Sie sich einen Überblick

Bevor Sie irgendetwas regeln können, müssen Sie erst einmal wissen, was Sie überhaupt haben. Nehmen Sie sich einen Nachmittag Zeit und erstellen Sie eine Liste:

Welche Online-Konten nutzen Sie regelmäßig?

  • E-Mail-Accounts (Gmail, GMX, Web.de, Outlook...)
  • Banking und Versicherungen
  • Social Media (Facebook, Instagram, LinkedIn, Xing...)
  • Shopping-Accounts (Amazon, eBay, PayPal...)
  • Cloud-Speicher (Google Drive, Dropbox, iCloud...)
  • Streaming-Dienste (Netflix, Spotify, Amazon Prime...)
  • Weitere Abos und Mitgliedschaften

Welche Geräte haben Sie?

  • Smartphone-PIN und Entsperrcode
  • Laptop- oder Desktop-Passwörter
  • Tablet-Zugänge

Was ist Ihnen wichtig?Überlegen Sie bei jedem Account: Soll er nach Ihrem Tod gelöscht werden? Soll jemand Zugang bekommen? Gibt es dort Daten, die Sie sichern möchten?

Accounts, die Sie schon lange nicht mehr nutzen, können Sie gleich löschen. Das macht die Liste übersichtlicher und reduziert unnötige Sicherheitsrisiken.

Schritt 2: Sorgen Sie für eine technische Lösung

Das Herzstück Ihrer digitalen Vorsorge ist ein Passwortmanager mit Notfallzugang. Diese Programme speichern all Ihre Zugangsdaten verschlüsselt an einem Ort – und haben eine eingebaute Funktion für den Notfall. Der große Vorteil: Ihre Angehörigen müssen sich nur noch ein Passwort merken oder finden – den Rest erledigt der Passwortmanager.

Schritt 3: Benennen Sie eine Vertrauensperson

Wählen Sie jemanden aus, dem Sie wirklich vertrauen. Das sollte eine Person sein, die sich mit dem Internet auskennt und die auch unter emotionalem Druck noch klar denken kann.

Die Vollmacht über den Tod hinaus

Schreiben Sie eine kurze, handschriftliche Vollmacht. Wichtig ist die Formulierung "über den Tod hinaus" – nur so kann Ihre Vertrauensperson sofort handeln, ohne auf den Erbschein warten zu müssen.

Ein einfaches Beispiel:

"Hiermit bevollmächtige ich [Name], über meinen Tod hinaus auf alle meine digitalen Konten und Geräte zuzugreifen, Verträge zu kündigen, Konten aufzulösen oder weiterzuführen sowie Daten zu sichern oder zu löschen. [Ort, Datum, Unterschrift]"

Diese Vollmacht übergeben Sie persönlich an die benannte Person. Bewahren Sie selbst eine Kopie bei Ihren wichtigen Unterlagen auf.

Schritt 4: Nutzen Sie die Nachlasskontakt-Tools der großen Anbieter

Die meisten großen Plattformen haben mittlerweile eigene Funktionen für den digitalen Nachlass eingebaut. Die Einrichtung kostet Sie jeweils nur ein paar Minuten.

Beispiel Google Kontoinaktivitäts-Manager

Google bietet die umfangreichste Lösung. Sie finden sie unter myaccount.google.com/inactive

So funktioniert's:

  • Legen Sie fest, nach wie vielen Monaten Inaktivität (3-18 Monate) Ihre Kontakte benachrichtigt werden sollen
  • Benennen Sie bis zu zehn Vertrauenspersonen
  • Entscheiden Sie für jede Person einzeln, welche Daten sie bekommen soll: Gmail, Drive, Fotos, YouTube oder alles zusammen
  • Optional: Lassen Sie Ihr Konto automatisch löschen

Beispiel Apple Nachlasskontakt

Seit iOS 15.2 gibt es diese Funktion unter Einstellungen → Apple-ID → Anmeldung & Sicherheit → Nachlasskontakt

Ihre benannte Person erhält bei der Einrichtung einen Zugriffsschlüssel. Im Todesfall muss sie diesen zusammen mit der Sterbeurkunde bei Apple vorlegen. Sie bekommt dann Zugang zu:

  • Fotos
  • Nachrichten
  • Notizen
  • iPhone-Backups

Wichtig zu wissen: Den iCloud-Schlüsselbund mit Ihren gespeicherten Passwörtern gibt Apple nicht heraus. Die Daten bleiben drei Jahre lang verfügbar.

Schritt 5: Regeln Sie E-Mail und Banking

E-Mail-Accounts sind der Schlüssel

Ihr E-Mail-Postfach ist die zentrale Schaltstelle. Von dort aus lassen sich Passwörter für fast alle anderen Dienste zurücksetzen. Stellen Sie sicher, dass Ihre Vertrauensperson Zugang bekommt.

Online-Banking: Vorsorge ist wichtig

Banken erfahren nicht automatisch von einem Todesfall. Angehörigen müssen aktiv informieren. Bis dahin laufen Daueraufträge und Lastschriften einfach weiter.

Tipp: Erteilen Sie Ihrer Vertrauensperson eine Bankvollmacht "über den Tod hinaus". So kann diese Person sofort handeln – etwa um dringende Rechnungen zu bezahlen oder laufende Kosten zu stoppen. Das erspart das wochenlange Warten auf den Erbschein.

Für die vollständige Abwicklung brauchen Erben später trotzdem eine Sterbeurkunde und einen Erbnachweis (Erbschein, Testament oder Erbvertrag).

Streaming-Abos und kostenpflichtige Dienste

Die laufen nach einem Todesfall einfach weiter und verursachen unnötige Kosten. Damit Angehörige wissen, was gekündigt werden muss:

Schauen Sie Ihre Kontoauszüge durch: Welche regelmäßigen Abbuchungen gibt es? Netflix, Spotify, Amazon Prime, Software-Lizenzen, Zeitungsabos...

Bei einem Todesfall gibt es ein Sonderkündigungsrecht. Die üblichen Kündigungsfristen gelten nicht. Eine Kopie der Sterbeurkunde reicht meist aus.

Ihre Checkliste

✓ Bestandsaufnahme

  • Liste aller Online-Konten erstellen
  • Nicht mehr genutzte Accounts löschen
  • PINs und Entsperrcodes der Geräte notieren

✓ Technische Lösung einrichten

  • Passwortmanager wählen und einrichten
  • Alle wichtigen Zugangsdaten eintragen
  • Notfallkontakt im Passwortmanager aktivieren
  • Master-Passwort sicher hinterlegen

✓ Vertrauensperson benennen

  • Passende Person auswählen
  • Handschriftliche Vollmacht "über den Tod hinaus" verfassen
  • Vollmacht persönlich übergeben

✓ Plattformen konfigurieren

  • Nachlasskontakte einrichten
  • Weitere wichtige Dienste prüfen

✓ Banking regeln

  • Bankvollmacht über den Tod hinaus erteilen
  • Liste wichtiger Konten und Verträge erstellen

Wichtig: Aktualisieren Sie Ihre Liste mindestens einmal im Jahr. Passwörter ändern sich, neue Konten kommen hinzu, alte vergessen Sie vielleicht.

Fazit: Ein paar Stunden, die sich lohnen

Ja, die Beschäftigung mit dem eigenen digitalen Nachlass ist kein angenehmes Thema. Aber die Alternative ist deutlich unangenehmer – für Ihre Angehörigen.

Mit den hier beschriebenen Schritten schaffen Sie Klarheit und ersparen Ihren Liebsten in einer ohnehin schweren Zeit eine Menge Stress, Kosten und möglicherweise den Verlust wichtiger Erinnerungen.

Der Zeitaufwand ist überschaubar: Ein Wochenende reicht für die Grundeinrichtung. Danach müssen Sie nur noch gelegentlich nachbessern, wenn sich etwas ändert.

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