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"Sarah Wiener, wie haben Sie die Corona-Zeit persönlich erlebt?"

Starköchin und Politikerin Sarah Wiener berichtet im Interview mit MLP über diese Zeit und das Thema gesunde und nachhaltige Ernährung von Kindern.

Nachhaltigkeit Sarah Wiener
(© Sarah Wiener Stiftung | Christian Kaufmann)

Frau Wiener, Sie sind Fernsehköchin, Unternehmerin, Politikerin und Vorsitzende Ihrer eigenen Stiftung, die sich der gesunden und nachhaltigen Ernährung von Kindern widmet. Ihr Alltag war schon immer stark getaktet – wie haben Sie die Corona-Zeit persönlich erlebt?

"Für mich war es ein großes Glück, in meinem Haus und Garten sein zu dürfen. Auf einmal keine Reisen und Termine! Herrlich war das. Ich habe mehr gekocht als all die Monate davor und auch viel Kuchen gebacken, weil es einfach so viel Spaß macht."

Glauben Sie, dass sich durch Corona das Verhältnis der Deutschen zum Thema Ernährung nachhaltig verändert hat?

"Das kann man jetzt noch nicht sagen. Bei einigen wird schon ein Umdenken und eine andere Wahrnehmung über die Verletzlichkeit unseres globalen industriellen Nahrungssystems stattgefunden haben. Wir sind ja weltweit auch noch lang nicht über dem Berg."

Das Thema Ernährung hat während des Lockdowns eine besondere Rolle gespielt – Familien mussten sich ihr Essen viel häufiger selbst zubereiten, haben dank Home Office und Home Schooling auch öfter zusammen am Tisch gesessen. Jetzt beklagen viele ihre zusätzlichen „Corona-Kilos“. Was haben die Familien falsch gemacht?

"Wenn man nicht raus darf und sich bewegt, dann wird man automatisch dicker. Kochen und essen stärkt außerdem den Zusammenhalt und gibt dem Tag Struktur. Es hätte mich gewundert, wenn wir nicht alle etwas runder geworden wären. Besser rund und gesund mit guten Lebensmitteln als mangelernährt und dick mit Junkfood."

Wie schaffen es berufstätige Mütter, ihren Kindern das Thema gesunde Ernährung näher zu bringen?

"Einfach gesund und schmackhaft kochen und einkaufen. Wenn es keine Cola im Kühlschrank gibt, kann man sie auch nicht trinken."

Was tue ich, wenn Kinder eigene Ernährungswünsche äußern – zum Beispiel, dass sie sich gerne vegetarisch ernähren würden? Muss ich als Familienköchin wirklich jeden Trend mitmachen?

"Wer nicht alt genug ist zum Selberkochen, sollte das essen, was serviert wird. Schließlich haben Eltern eine Verantwortung ihren Kindern gegenüber, ausgewogen und gesund zu kochen. Wenn man dann selber kochen kann, kann man ja die anderen Familienmitglieder mit seinen Gerichten überzeugen und sehen ob es schmeckt. Wenn es einzelne Lebensmittel gibt, die jemand partout nicht essen mag, sollte man das respektieren. Wenn die Verbotsliste aber zusehends länger wird, dann muss man sich gerade bei jungen Frauen klar machen, dass oft ein bestimmter rigider Ernährungstrend der Einstieg in eine Essstörung sein kann. Aber bitte kein Esskrieg innerhalb der Familie; das ist oft nur ein Platzhalter für ganz andere Probleme."

Klimabewegung, nachhaltiger Konsum, gesunde Ernährung – es scheint, dass all diese Themen bei vielen Familien inzwischen fester Bestandteil des Alltags sind. Wo besteht Ihrer Meinung nach noch der größte Nachholbedarf?

"Zum einen in der Aufklärung darüber, wie unsere Lebensmittel produziert werden und wie man sich einfach und abwechslungsreich, möglichst regional, ökologisch, günstig und köstlich, ganz ohne schwerstverarbeitete Nahrungsmittel ernähren kann. Zum anderen über den köstlichen Geschmack in der Vielfalt von Sorten und Rassen, die nicht nur die Natur sondern auch uns und unser Immunsystem stärken."

5 Fakten über Sarah Wiener

  • wurde als Fernsehköchin bekannt, hat aber keine Kochausbildung
  • betreibt einen eigenen biodynamischen Bauernhof in der Uckermark, eine Wiener Holzofenbäckerei in Berlin sowie Restaurants und Catering-Unternehmen
  • kandidierte als Parteilose für die österreichischen Grünen und sitzt seit 2019 als Abgeordnete im Europaparlament
  • war vor ihrer Karriere als Starköchin Berliner Stadtmeisterin im Taekwondo
  • setzt sich für nachhaltige Lebensmittelproduktion ein und kritisiert in diesem Zusammenhang auch immer wieder die aktuellen Ereignisse in der Fleischindustrie

Sarah Wiener Stiftung