Frauen und Männer verdienen in Deutschland nicht das gleiche Geld. Der Gehaltsunterschied, die so genannte Gender Pay Gap, liegt laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes bei 20 Prozent.
Samira Kaldenbach ist Finanzexpertin und Karrierecoach. Wir haben nachgefragt: Wie nimmt Samira das Thema Gehalt bei ihren weiblichen Kunden wahr und welche Tipps kann sie Frauen geben, um sich bei Gehaltsverhandlungen das zu holen, was ihnen zusteht.
2012 absolvierte ich mein Duales Studium mit dem Schwerpunkt Finance bei MLP. Damals war ich im Innendienst tätig und unterstützte die Berater Kollegen in fachlichen Fragen ihrer Kunden. Seit 2017 bin ich den Weg als Finanzexpertin und Karrierecoach bei MLP eingeschlagen, um jungen Menschen auf direktem Wege selbst weiterhelfen zu können.
Das Thema Gehalt war nicht mein Hauptfokus. Das Ziel meiner Berufswahl war meine Erfüllung zu finden und einen Job, in welchem ich gut bin. Meiner Meinung nach, sollte jeder einen Beruf ausüben, der die eigene Leidenschaft antreibt. In der Regel kommt das Thema Gehalt dann automatisch mit einher.
In meinem Kundenstamm herrscht eine grobe 50/50 Verteilung von Frauen und Männern. Bei solchen Kunden, die einen ähnlichen Werdegang haben, d.h. ein ähnliches Studium und ähnliche Praktika gemacht haben, beobachte ich keine starke Diskrepanz im Einstiegsgehalt.
Was mir allerdings auffällt: Frauen sind generell zurückhaltender beim Thema Gehaltsverhandlung, als Männer. Weibliche Kunden muss man etwas mehr in die Richtung schupsen, um sich das zu holen, was ihnen zusteht.
In meinen Gehaltsverhandlungsseminaren frage ich zu Beginn mit welcher Zahl die Teilnehmer bei der ersten Gehaltsverhandlung ins Rennen gehen möchten. Männer nennen meistens ziemlich selbstbewusst ein bestimmtes Gehalt. Manchmal sind die Gehaltsvorstellungen auch etwas am Ziel vorbeigeschossen, aber grundsätzlich schätzen sich Männer sehr realistisch ein, was die Einstiegsgehälter oder die Entwicklung eines Gehalts angeht. Bei meinen weiblichen Seminarteilnehmern ist das anders.
Wenn ich an mein letztes Webinar denke und die weiblichen Teilnehmerinnen gefragt habe, dann kamen oft unsichere Reaktionen, wie z.B.: “Ich weiß nicht. Was kann ich denn überhaupt verdienen?“, „Was kann ich verlangen?“, „Ich möchte diesen Job haben und nicht unverschämt wirken.“ Frauen nennen öfter Einstiegsgehälter, die deutlich unter dem liegen, was die männlichen Konkurrenten nennen. Da liegen oftmals ein paar Tausend Euro dazwischen.
Wir Frauen müssen taffer sein, als es unsere Natur hergibt. Ich würde mal behaupten, dass Frauen grundsätzlich harmoniebedürftig sind und niemandem zu nahe treten möchten. An der ein oder anderen Stelle müssen wir uns etwas mehr behaupten und die Ellbogen ausfahren - gerade zu Beginn der Karriere. In dem Fall ist es wichtig eine gute Technik an der Hand zu haben, wie man das Gehalt zu einem späteren Zeitpunkt nochmal thematisiert und angeht.
Wenn es tatsächlich so sein sollte, dass der männliche Kollege mehr verdient, obwohl der Bildungsweg derselbe ist und sich mein Gehalt nach einer gewissen Zeit überhaupt nicht anpasst, würde ich mir die Frage stellen, ob es das richtige Unternehmen für mich ist.
Grundsätzlich finde ich gemischte Teams für uns Frauen produktiver, da wir im Seminar direkt lernen, uns gegen männliche Teilnehmer zu behaupten und durchzusetzen. Aber trotzdem beobachte ich, dass die ein oder andere Teilnehmerin unsicherer ist, wenn männliche Teilnehmer in der Gruppe sind. Deshalb habe ich auch schon Gehaltsverhandlungsseminare durchgeführt, die hauptsächlich für Frauen stattfanden. Die weiblichen Teilnehmer konnten dann gelöster und offener im Seminar teilnehmen und mitmachen. Damit konnten sie in einer entspannten Atmosphäre trainieren und sich ein gewisses Selbstbewusstsein aneignen.
Für manche Übungen habe ich trotzdem einen männlichen Beraterkollegen im Seminar eingebunden, damit der männliche Part nicht ganz ausgeschlossen ist. Viele Frauen in meinem Kundenstamm sind auf der anderen Seite sehr taff und lassen sich auch von männlichen Teilnehmern niemals aus der Ruhe bringen.
Ein Geheimrezept gibt es leider nicht. Grundsätzlich ...